Wie wir Schmetterlingen das Leben schwer machen ... oder ein bisschen leichter
An sie denken fast alle, die man nach Insekten fragt, zuerst: Schmetterlinge. Die meisten Menschen finden sie wunderschön und beklagen, dass sie nur noch so wenige davon sehen. Hier wird das Insektensterben plötzlich greifbar, und hier tut es uns weh (denn wer würde sich schon groß daran stören, wenn es plötzlich keine Mücken mehr gäbe? - dazu ein anderes Mal). Als Nächstes kommt gern der Verweis auf die Landwirtschaft, auf Pestizide, Herbizide und Überdüngung. Zugegeben: Natürlich spielt das eine große Rolle. Aber eine weitere übernehmen wir selbst. Weil wir Schmetterlinge zwar lieben, aber nicht wirklich kennen.
Wer weiß denn z.B. schon, dass die großen Schmetterlinge wie Schwalbenschwanz oder Tagpfauenauge nur einen kleinen Bruchteil aller Schmetterlingsarten stellen? Die meisten Arten sind sehr viel kleiner und unauffälliger. Wir nennen sie auch gerne mal "Motten".
Oder dass das hübsche bunte Muster auf den Schmetterlingsflügeln, an dem wir uns erfreuen, nur ein Bruchteil der tatsächlichen Färbung ist? Um diese vollständig zu sehen, müssten wir technische Hilfe in Anspruch nehmen. Manche der Farben liegen nämlich außerhalb des für unser Auge sichtbaren Spektrums im UV-Bereich. Die Schmetterlinge dagegen sehen sie sehr gut, was sich übrigens auch Pflanzen zunutze machen: Bestimmte Futterpflanzen signalisieren durch UV-Licht-absorbierende oder -reflektierende Muster den Schmetterlingen, dass sich ein Besuch lohnt.
Und wer hätte gedacht, dass Schmetterlinge Kot fressen? Das ist kein Witz. Ich habe lange darüber gerätselt, warum ich beim Absammeln des Mists vom Ponyauslauf immer wieder alle möglichen Schmetterlinge vom Kohlweißling bis zum Admiral auf den Pferdeäpfeln sitzen gesehen habe (siehe Bild unten rechts). Eine Reportage im Fernsehen hat mich dann vor einiger Zeit darüber aufgeklärt, dass Blütennektar zwar gut und wichtig ist, jedoch nicht genügend Mineralstoffe enthält. Die müssen sich die Schmetterlinge woanders holen - und tun das: Aus Exkrementen. (Keine Sorge übrigens, ich räume zwar den Mist vom Auslauf, aber mein Misthaufen ist frei schmetterlingszugänglich!)
Gut, das ist jetzt keine große Hilfe beim Schmetterlingsschutz - nicht jeder hat einen Misthaufen ;-). Aber es gibt andere Punkte, an denen wir alle etwas für die Schmetterlinge tun können. Zum Beispiel, indem wir einfach mal etwas nicht tun, nämlich: in unseren Gärten allzu viel Ordnung machen. Jede Woche den Rasen mähen, am besten noch mit Mähroboter im Dauerbetrieb. Jegliches Unkraut vernichten (ja, auch Hobbygärtner greifen gern zu Herbiziden, leider!). Denn damit es Schmetterlinge gibt, muss es erst mal Raupen geben. Auch wenn sie nicht so hübsch sind wie die fertigen Falter. Obwohl ich finde, dass man darüber durchaus streiten kann, schaut euch zum Beispiel mal die Raupe des Totenkopfschwärmers an (siehe Bild unten Mitte). Ist die nicht spektakulär?
Zurück zum eigentlichen Punkt: Raupen haben bekanntlich immer Hunger, und häufig sind sie auf ganz bestimmte Pflanzenarten spezialisiert. Gibt es die nicht, gibt es diesen Schmetterling nicht. Eine Futterpflanze, die einer Vielzahl von Schmetterlingsraupen Nahrung bietet, ist die Brennessel. Die Liste der Schmetterlinge, deren Raupen Brennesseln fressen, liest sich wie das Who is Who der bekanntesten Arten: Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Admiral, aber auch das Landkärtchen oder der Russische Bär (siehe Bild oben rechts) bedienen sich dort. Also einfach mal ein paar Brennesseln stehen lassen. Sie sind übrigens gar nicht so unnütz, wie man immer denkt. Wenn man will, kann man sie essen (Brennesselsuppe aus den jungen Blättern im Frühling ist echt lecker) oder Tee daraus machen (Brennesseltee gibt's in jeder Drogerie, falls ihr dafür einen Beweis braucht - er hilft gegen Harnwegsinfektionen). Meine Nachbarin schwört auf Brennesseln als Dünger für ihre Tomaten. Früher hat man aus den Fasern in den Brennesselstängeln sogar Stoff gemacht. Nesseltuch trägt nicht umsonst diesen Namen.
Okay, das war jetzt genug Werbung für Brennesseln. Andere Schmetterlingsarten benötigen andere Futterpflanzen, und die sind ebenfalls nicht zwingend beliebt im Garten. Etwa die Disteln, die - Überraschung - der Distelfalter braucht, oder die Wilde Möhre, von der die Raupen des Schwalbenschwanzes fressen. Aber auch viele kleinere, unauffällige Pflanzenarten, zum Teil Gräser, die in unserem kurzgeschorenen Kulturrasen und den angesagten Steingärten keine Überlebenschance haben. Oder einheimische Gehölze, die in unseren Gärten meist keinen Platz bekommen, weil exotische Sträucher viel schicker sind. Übrigens ist das auch ein Problem für die erwachsenen Schmetterlinge, die sich ihr Futter zumeist bei einheimischen Pflanzen suchen. Logisch: Als sich diese Arten entwickelt haben, gab es die anderen Pflanzen hierzulande ja überhaupt nicht.
Wenn ihr nun denkt: "Ich mit meinem kleinen Garten bzw. Balkon kann da eh nichts machen!", dann irrt ihr euch. Beim Artenschutz geht es zwar häufig darum, möglichst große, unberührte Gebiete zu schaffen, in denen sich die Natur frei entfalten kann. Mindestens genauso wichtig sind jedoch sogenannte Korridore, die diese Gebiete miteinander verbinden. Nicht zuletzt quer durch Städte hindurch. Diese Korridore sind notwendig, damit zwischen den Individuen einer Art ein Austausch stattfinden kann. So bleibt die genetische Vielfalt erhalten, und die wiederum ist wichtig dafür, dass eine Art langfristig überleben kann. In Zeiten, wo jeder Grünstreifen regelmäßig kurzgeschoren wird und selbst auf der Autobahn alle zwei Wochen die Mähfahrzeuge den Randstreifen kahlrasieren (muss ja alles ordentlich sein!), werden die Korridore selbst für recht anspruchslose Tierarten knapp.
Gerade kleinen Tieren, und dazu zählen Schmetterlinge, genügen häufig schon Mini-Biotope, um sich fortzupflanzen und vielleicht als ausgewachsener Schmetterling weiterzufliegen zum nächsten guten Plätzchen. Also: Wie wär's mit einer "wilden Ecke" auf eurem Balkon oder in eurem Garten? Denkt dabei nicht nur an Blumen für die erwachsenen Schmetterlinge, sondern auch an Futterpflanzen für die Raupen. Und statt den Rasen zu mähen, gönnt ihr euch einfach einen Nachmittag im Liegestuhl und genießt euren wunderbar unordentlichen Garten. Macht eh mehr Spaß. Die Schmetterlinge (und viele andere Insekten) werden es euch danken!
Bilder:
obere Reihe: Kaisermantel (links); Distelfalter (Mitte); Russischer Bär (rechts)
untere Reihe: Die Brennessel - eine wichtige Raupenfutterpflanze (links); Raupe eines Totenkopfschwärmers (Mitte); Distelfalter beim Picknick auf Pferdeapfel (rechts)
[eigene Aufnahmen]